Mobbing bezeichnet „Psychoterror“ – also wiederholtes, ständiges Schikanieren, Ärgern und Quälen, mit dem Ziel, dem anderen wirklich Leid zuzufügen oder ihn loszuwerden. Mobbing wird von einem „Mob“ verursacht – viele gegen einen. Keine Chance für das Opfer. Bekannt wurde der Begriff zuerst in der Arbeitswelt. Inzwischen wird er auch für Vorkommnisse in Schulen verwendet. Aus dem Ausnahme-Phänomen ist ein Begriff geworden, der inflationär benutzt wird.
„Der mobbt voll!“ wird von Grundschülern erzählt, die von einem Klassenkameraden geärgert werden. Wo hört „normales“ Austesten von Grenzen auf, wo fängt Mobbing an? Die Grenzen sind fließend. Aber doch kann man immer dann von Mobbing sprechen, wo einer oder mehrere einen oder eine bewusst und absichtlich und systematisch und über längere Zeit fertig machen. Anfeindungen, Zickenkriege, Raufereien zwischen Jungs und alle damit verbundenen Machtkämpfe in Schulklassen fallen nicht unter das Phänomen, auch wenn es selbstverständlich Kinder gibt, die darunter leiden.
Natürlich wünschen wir Erwachsenen uns, dass Kinder keine Anfeindungen und Streits aushalten müssen, dass mit ihnen wertschätzend und freundlich umgegangen wird, und doch ist dieser Wunsch eine Illusion. In vielen Auseinandersetzungen stecken auch große Möglichkeiten zu lernen: Sich abzugrenzen, sich zu wehren, etwas nicht ernst oder persönlich zu nehmen, zu verhandeln oder auch um Hilfe zu bitten, zum Beispiel einen Lehrer.
Eltern, deren Kinder berichten, sie würden „gemobbt“, sollten sich also erst einmal ein sehr genaues Bild davon machen, was wirklich passiert, ganz konkret, wann, wie lange schon, wie das eigene Kinder reagiert, und zusammen mit dem Kind überlegen, wie es sich in der Situation durchsetzen, distanzieren, schützen und so weiter kann. Diese Situationen helfen Kindern beim Reifen, auch wenn die gefundene Lösung nicht die optimale ist. Vielleicht lernt das Kind wenigstens darin, sich seine Freunde sorgsam auszusuchen. Das ist nicht schön, aber es schadet auch nicht langfristig, im Gegenteil: Es kann zum Wachstum und zur Reifung der Persönlichkeit anregen und dabei helfen. Ohne Sandkörner, die in einer Auster kratzen und stören ist noch nie eine Perle entstanden. Mischen sich Eltern in „normale“ (wenn auch manchmal heftige, unfaire, gemeine…) Konflikte der Kinder zu früh und zu direkt ein (indem sie zum Beispiel den Lehrer einschalten oder das andere Kind zur Rede stellen), schaden sie meist mehr als sie nutzen. Das nehmen die anderen Kinder nämlich nicht den Eltern übel, sondern ihrem Kameraden, der dann häufig wirklich in der Schulklasse an Boden verliert.
Anders verhält es sich, wenn ein Kind wirklich gemobbt wird, das heißt von anderen systematisch geärgert, gedemütigt und fertig gemacht wird, mit System und Ausdauer. Dann müssen Eltern eingreifen, die Verantwortlichen in der Schule um Hilfe bitten und dafür sorgen, dass gehandelt wird. Ideale Ansprechpartner sind Streitschlichter, also ältere Schüler, die es häufig schaffen, die mobbenden Kinder zur Vernunft zu bringen. Zweite Anlaufstelle: Die Vertrauenslehrer. Einen Schulwechsel sollte man als letzten Schritt in Erwägung ziehen. Oft hilft ein Neustart, wenn die Situation verfahren ist. Aber wie gesagt: Als Ultima Ratio. Denn Wegbleiben oder Weggehen bedeutet nicht nur: Ich bin da raus. Sondern auch: Ich konnte es nicht lösen, nur die Flucht hat geholfen.