Heute rief mich eine Bekannte an. Sie hat einen kleinen Sohn. Fünf Jahre ist er alt. Mit dem Opa ist er oft auf einem Bauernhof, dort darf er mithelfen. Nun ist in der Nacht überraschend der Bauer gestorben. Die Mutter sorgt sich: Sie sind bei Oma und Opa zum Mittagessen eingeladen, aber die Stimmung dort wird gedrückt sein – darf sie das ihrem Sohn zumuten? Und wie soll sie ihm sagen, dass der Bauer nicht mehr da ist? Soll sie überhaupt hingehen?
Ja.
Denn Kinder müssen wissen, dass Menschen sterben. In der Regel leiden Kinder daran weniger als Erwachsene – vorausgesetzt, man mutet ihnen zu, dass sie erfahren, was passiert ist. Versuchen Erwachsene dagegen, den Tod eines Menschen vor einem Kind geheim zu halten oder so zu tun als wäre alles in Ordnung, wird es schwierig. Dann entwickelt ein Kind ein verkrampftes Verhältnis zum Sterben, es wird leiden und vielleicht eines Tages alles ausblenden wollen, was mit dem Tod und dem Sterben zu tun hat. Das ist in unserer Gesellschaft ja sowieso sehr verbreitet.
Was habe ich ihr geraten?
Sie soll mit ihrem Sohn heute zu Oma und Opa fahren und ihm vorher sagen, dass der Bauer gestorben ist. Sie selbst hat die Vorstellung, die Seelen leben weiter, an einem anderen Ort, und eines Tages wird man sich dort wieder treffen. Der Seele des Bauern geht es gut. Wunderbar. Genau das soll sie ihrem Sohn sagen. Und auch, dass diejenigen, die ihm nah waren, nun traurig sind, weil sie ihn nicht mehr bei sich haben. So kann der Kleine erleben, wie man trauert, und wenn Opa und Oma betrübt sind oder weinen, gleich lernen, dass das in Ordnung ist. Dass man trauern darf, dass das normal ist, und er kann am Beispiel lernen.
In den nächsten Tagen soll sie abends eine Kerze für den Bauern anzünden und zuhause mit ihrem Sohn ein kleines Gebet sprechen, in dem sie ihm eine gute Reise und alle Gute wünschen und ihm sagen, was sie an ihm mochten. So kann der Kleine aktiv Abschied nehmen, er kann etwas tun, er ist beteiligt und darf auch traurig sein.
Und wenn der Bauer beerdigt wird, soll der Kleine ruhig mitkommen. Kinder verkraften das, es tut ihnen gut zu sehen, wie viele Menschen Abschied nehmen und den Bauern gemocht haben, und zu wissen, wo sein toter Körper nun liegt, und zu wissen, dass „er“, also seine Seele nun woanders ist. Das hilft ihnen, der Tod zu begreifen.